Eilaktion Amnesty International: FEDEPESAN-Mitglieder besser schützen

Die Angriffe gegen Mitglieder des Fischerei- und Umweltverband FEDEPESAN in der Region Magdalena Medio im Norden Kolumbiens halten weiter an: Zeitweie mussten 26 Familien ihr Zuhause verlassen, da ihre Sicherheit in Gefahr war. Die FEDEPESAN-Vorsitzende Yuly Velásquez erhielt telefonische Morddrohungen. Ein Mitglied wurde trotz laufender Gerichtsverfahren aus ihrer Wohnung vertrieben und von der Polizei angegriffen. Der Treffpunkt einer mit FEDEPESAN verbundenen Gruppe soll auf Anordnung der Umweltbehörde von Barrancabermeja geschlossen werden. Amnesty International fordert die Behörden auf, diese Schikanen zu beenden und die FEDEPESAN-Mitglieder zu schützen.

Sachlage

Fischerleute in Barrancabermeja, die dem Fischerei- und Umweltverband FEDEPESAN (Federación de Pescadores Artesanales Ambientalistas y Turísticos del Departamento de Santander) angehören, sind besorgniserregenden Schikanen ausgesetzt. Seit Jahren werden FEDEPESAN-Mitglieder bedroht und angegriffen, obwohl sie in der Region wichtige Arbeit leisten, um die Wasserqualität und biologische Vielfalt zu überwachen und die Rechte der Bewohner*innen auf Gesundheit, Wasser und eine sichere Umwelt zu verteidigen. In den vergangenen Wochen kam es zu mehreren ernsten Vorfällen.

Bereits am 15. Februar 2025 hatte FEDEPESAN gemahnt, dass sich seine Mitglieder gezwungen sehen könnten, die Region, in der sie leben und arbeiten, zu verlassen. Von Ende Juni bis Mitte August mussten 26 Familien wegziehen. Sie sind seither zurückgekehrt unter der Bedingung, dass sie in und um Barrancabermeja sicher leben und arbeiten können. Am 4. August wurde Janeth Millán aus ihrem Haus in der Nähe von Ciénaga de San Silvestre vertrieben. Sie lebt in extremer Armut, hat zwei minderjährige Töchter und ist Betroffene des in der Region herrschenden bewaffneten Konflikts. Sie und ein anderes FEDEPESAN-Mitglied wurden bei der rechtswidrigen Zwangsräumung von der Polizei tätlich angegriffen. Sie wurde mit ihrem Hab und Gut aus dem Haus geworfen, in dem sie seit 18 Jahren lebte, obwohl sie bereits seit Jahren gerichtlich gegen eine Räumung vorgegangen war.

Am 27. August ordnete der Umweltminister von Barrancabermeja die Schließung eines Gebäudes an, das einer FEDEPESAN-Gruppe in der Nähe von Ciénaga de San Silvestre als Treffpunkt diente. Als Grund wurde angegeben, dass das Gebäude das Augebiet beeinträchtige, obwohl sich nur wenige Kilometer entfernt am Ufer des Ciénaga Häuser und Nachtclubs befinden, gegen die allem Anschein nach keine ähnlichen Maßnahmen ergriffen wurden.

Die FEDEPESAN-Vorsitzende Yuly Velásquez hat in der Vergangenheit Morddrohungen erhalten, u. a. durch Anrufe und Nachrichten am 5. Juli und 11. August. Yuly Velásquez prangert seit Jahren Menschenrechtsverstöße, Korruption und Umweltverschmutzung in Barrancabermeja an.

Hintergrundinformation

Die Region Magdalena Medio umfasst ein ausgedehntes Tal, durch das der Fluss Magdalena fließt. Erdöl ist eine der wichtigsten wirtschaftlichen Ressourcen in der Region. Die Stadt Barrancabermeja liegt im Herzen von Magdalena Medio in der Provinz Santander. Dort wird die größte Raffinerie des Landes betrieben. In dem Gebiet gibt es außerdem Agrarindustrie, Bergbau und Viehzucht sowie weitere Wirtschaftszweige. Aufgrund der fruchtbaren Böden und des Reichtums an wertvollen Ressourcen wie Öl und Wasser gilt die Region Magdalena Medio im Norden Kolumbiens als strategisch wichtig, und es kommt dort immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen staatlichen Stellen und bewaffneten Gruppen. In der Region Magdalena Medio haben eine basisdemokratische Mobilisierung und der Einsatz für die Menschenrechte außerdem seit Jahrzehnten Tradition. Die Kombination aus gewerkschaftlicher Organisation, feministischen und zivilgesellschaftlichen Bewegungen und der Verteidigung der Menschenrechte haben vor Ort zu einer starken Zivilgesellschaft geführt. Dies führt in der Gegend zu Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, die seit den 1980er-Jahren, wenn nicht schon länger, anhält. In den vergangenen Jahren wurden in Magdalena Medio alarmierend hohe Zahlen von Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung, insbesondere Tötungsdelikte und Fälle des Verschwindenlassens, verzeichnet. All dies geschieht vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Gruppen in der Region, darunter die Gruppe Ejército Gaitanista de Colombia (EGC), auch bekannt als AGC oder Clan del Golfo, die derzeit größte bewaffnete Gruppe des Landes mit der ausgedehntesten Kontrolle über die Region.

Der Verband für traditionelle Fischerei, Umweltschutz und Tourismus im Departamento Santander (Federación de Pescadores artesanales, ambientalistas, y turísticos del departamento de Santander – FEDEPESAN) ist am See San Silvestre in der Nähe der Stadt Barrancabermeja tätig. FEDEPESAN fördert den nachhaltigen Fischfang und überwacht darüber hinaus die Wasserqualität und biologische Vielfalt. So dokumentiert die Organisation beispielsweise das Vorkommen von gefährdeten Tierarten wie dem Karibik-Manati. Gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation CREDHOS reichte FEDEPESAN eine Sammelklage ein, die im Juli 2025 zu einem Urteil führte, in dem bestätigt wurde, dass die Wasserverschmutzung in der Gegend San Silvestre gegen das Recht auf eine gesunde Umwelt verstößt. FEDEPESAN hat in der Vergangenheit über Wasserverschmutzung durch regionale Unternehmen berichtet, Korruption seitens der Umweltbehörden angeprangert, und die Anwesenheit bewaffneter Gruppen dokumentiert, die die Kontrolle über das Gebiet und seine Gewässer anstreben.

Die Vorsitzende von FEDEPESAN, Yuly Velásquez, hat zahlreiche Formen von Gewalt erlebt, die von Amnesty International dokumentiert wurden. Dazu zählen eine Drohung im November 2020, Schäden an ihrem Haus durch Schüsse im Januar 2021, Einschüchterungen bei Protestaktionen im August 2021, ein Angriff mit einer Schusswaffe im Mai 2022 und ein weiterer im Juli 2022 (bei dem ein Wachmann ihres Schutzprogramms verletzt wurde). Amnesty International fordert die Regierung seit Juni 2022 auf, die Mitglieder von FEDEPESAN wirksam zu schützen. FEDEPESAN wurde 2024 mit dem Menschenrechtspreis von Amnesty International in Deutschland ausgezeichnet.

Amnesty International beobachtet seit einiger Zeit die Maßnahmen der kolumbianischen Behörden zur Risikobeurteilung der Lage der Fischerleute in Barrancabermeja. Im Jahr 2022 wurde mittels des Frühwarnsystems der Ombudsperson die Warnung AT 027 herausgegeben, und es gab Treffen der CIPRAT-Kommission, die dem Innenministerium untersteht und für Maßnahmen im Zuge des Frühwarnsystems zuständig ist. Trotz alledem werden FEDEPESAN-Mitglieder nach wie vor bedroht und unter Druck gesetzt. Sie müssen besser und umfassender geschützt werden.

Fortsetzung (Auf Englisch)

On 15 February 2025, FEDEPESAN leaders publicly announced they felt forced to leave their territory. Then, 26 fisher families from Ciénaga de San Silvestre, Ciénaga de Chucurí, Ciénaga de Cira, and the Sogamoso and Magdalena rivers in Barrancabermeja were displaced to Bucaramanga. Amnesty International called for protection for the displaced families, who agreed to return in mid-August, following dialogue between FEDEPESAN and regional and national authorities, if their safety was guaranteed.

During this displacement, on 4 August, FEDEPESAN member Janeth Millán was evicted from her home in Las Parrillas, Barrancabermeja, near Ciénaga de San Silvestre. She had lived there for 18 years, was part of the local community association, is recognised as a victim of the armed conflict, belongs to an Indigenous community, lives in extreme poverty, and is the sole carer of two underage daughters. For years, she has legally defended her right to remain in her home, which was apparently built on land owned by Ecopetrol, where she arrived after being forcibly displaced from another municipality in Santander. Her legal struggle intensified four years ago when a man appeared, claiming ownership of the land, demanding rent or her departure, and threatening her. Janeth reported that he forced her to sign a contract against her will, which was later used to formally request her eviction. Despite her legal actions, she was thrown out of her home with her daughters, her belongings left on the street, and, according to FEDEPESAN, a police officer assaulted her and another federation member during the eviction.

Shortly after the return of the 26 families, on 27 August, Barrancabermeja’s Secretary of Environment and Energetic Transition issued Resolution 2571, ordering the suspension of a modest meeting place of ASOPESCASAN, a FEDEPESAN member association, near Ciénaga de San Silvestre. The site, a small wooden structure with a palm roof, is used to coordinate artisanal fishing activities. The Secretary did an inspection with the Biodiversity and Animal Protection Group of the Rural Carabineros Police and argued that the structure affected the riparian zone and thus constituted an environmental offence. However, the site sits on a small strip of land between a road and Ciénaga de San Silvestre, where nearby houses already exist, and the lake’s shores host public venues and clubs a few kilometres away. Authorities have not offered alternatives for ASOPESCASAN to have a meeting place by the Ciénaga and continue their fishing and environmental monitoring practices.

Amnesty fordert die Behörden in Kolumbien auf, Schutz und Unterstützung für FEDEPESAN und seine Mitglieder bereitzustellen und dafür zu sorgen, dass die Aktivist*innen nicht länger schikaniert werden.

Hier kann die Eilaktion von Amnesty International bis 10. Dezember 2025 unterschrieben werden:

https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/kolumbien-fedepesan-mitglieder-brauchen-mehr-schutz-2025-09-12