Die Deutsche Menschenrechtskoordination Kolumbien (MRKK) ist ein Bündnis von 17 deutschen Menschenrechtsorganisationen, Hilfswerken und Solidaritätsgruppen. Seit über 25 Jahren setzen wir uns gemeinsam für Menschenrechte und Frieden in Kolumbien ein und arbeiten dafür in zahlreichen Regionen des Landes eng mit Gemeinschaften, Organisationen und Initiativen der Zivilgesellschaft zusammen. Viele unserer Partner gehören den drei großen Menschenrechtsnetzwerken in Kolumbien CCEEU, La Alianza und Plataforma DESCA an, die zusammen rund 500 soziale und Menschenrechtsorganisationen vertreten.
Gegenüber deutschen, europäischen und UN-Instanzen engagiert sich die MRKK dafür, dass die kolumbianische Regierung aufgefordert wird, konkrete und effektive Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte und für Frieden in Kolumbien zu ergreifen. Gleichermaßen fordert die MRKK, dass Kooperationen Deutschlands mit Kolumbien menschenrechtskonform ausgestaltet und politische Reformen, Maßnahmen und Veränderungsprozesse zum Schutz der Menschenrechte und für Frieden direkt unterstützt werden.
Kolumbien hat enorme Fortschritte auf seinem Weg zu Frieden gemacht. Gleichzeitig ist die Sicherheitslage der Zivilbevölkerung und der Zivilgesellschaft heute außerordentlich besorgniserregend: Trotz der Friedensbemühungen der aktuellen Regierung erleben zahlreiche Regionen des Landes seit Ende 2024 eine massive Gewalteskalation. Dem Roten Kreuz (IKRK) zufolge halten aktuell acht interne bewaffnete Konflikte in Kolumbien an. 157 Menschenrechtsverteidiger*innen wurden laut dem zivilgesellschaftlichen Schutzprogramm Programa Somos Defensores 2024 ermordet. Im ersten Halbjahr 2025 erfassten Menschenrechtsorganisationen bereits 79 Morde.
Kolumbien ist für Deutschland ein zentraler strategischer Partner in Lateinamerika. Im Deutschen Bundestag gibt es seit Langem überfraktionell große Unterstützung für den Friedensprozess. Die verschiedenen Bundesregierungen des letzten Jahrzehnts haben unter erheblichem Einsatz politischer und finanzieller Ressourcen einen wesentlichen Beitrag geleistet, Kernerrungenschaften des Friedensprozesses dauerhaft zu schützen und zu stärken. Dieses Engagement schätzen wir außerordentlich.
Wir vertrauen darauf, dass Deutschland in seiner bilateralen Zusammenarbeit mit Kolumbien auch künftig den Schutz von Friedensinitiativen und Menschenrechten in den Mittelpunkt stellt. Ob wirtschaftliche Zusammenarbeit, Rohstoff- und Energie-Partnerschaften oder Kooperationen im Sicherheitsbereich – Menschenrechte müssen die Grundlage allen Handelns bleiben. Denn nur, wenn sie vollständig geachtet, geschützt und verwirklicht sind, kann Frieden wachsen. Darauf weisen alle Erfahrungen gerade des kolumbianischen Friedensprozesses deutlich hin.

WIR EMPFEHLEN DER BUNDESREGIERUNG UND DEN MITGLIEDERN DES BUNDESTAGS
FRIEDEN
1. die Umsetzung des Friedensabkommens von 2016 weiter politisch und finanziell im bisherigen Umfang zu unterstützen. Prioritär gewürdigt und gefördert werden sollten Vorhaben, die die strukturellen Ursachen der bewaffneten Konflikte in den Blick nehmen: die Landreform, die Beschlüsse zu Gender-Gerechtigkeit, der Schutz ethnischer Gruppen, die politische und gesellschaftliche Teilhabe von Konfliktüberlebenden sowie die Arbeit der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (JEP), der Sucheinheit für Verschwundene (UBPD) und der sie aktiv unterstützenden Organisationen;
2. eine transparente und regelmäßige Prüfung der Verwendung öffentlicher Mittel durchzuführen, damit deutsche und EU-Gelder im Sinne der Friedensprozesse eingesetzt und Konfliktüberlebende und die kolumbianische Zivilgesellschaft stärker an Entscheidungen über den Mitteleinsatz beteiligt werden;
3. von der Regierung Kolumbiens eine wirksamere Suche nach Opfern von Verschwindenlassen einzufordern und die Behörden und die Zivilgesellschaft bei der Umsetzung des Gesetzes zum Schutz von Frauen, die nach gewaltsam Verschwundenen suchen (ley de buscadoras von 2024), zu unterstützen;
4. von der Regierung Kolumbiens deutlich größere Anstrengungen bei der Bekämpfung von Straflosigkeit einzufordern und hierfür Unterstützung anzubieten, insbesondere bei der Aufarbeitung von genderspezifischer Gewalt, Gewalt gegen Indigene Völker, afrokolumbianische und kleinbäuerliche Gemeinschaften, Gewalt durch staatliche Sicherheitskräfte und Angriffen auf Menschenrechtsverteidiger*innen;
5. im Lichte der Menschenrechts- und Friedenskrise kontinuierlich und in festen Formaten den Dialog mit der Zivilgesellschaft in Kolumbien zu suchen und angesichts der drastischen Kürzungen weltweit die finanzielle Förderung zivilgesellschaftlichen Engagement zu stärken;
GENDER
6. auf allen politischen Ebenen die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für Frauen, Frieden und Sicherheit (NAP 1325) in Kolumbien zu unterstützen;
7. mit hoher Priorität Maßnahmen zu fördern, die Frauen, Mädchen und andere Bevölkerungsgruppen, die besonders von Gewalt, struktureller Diskriminierung und Marginalisierung betroffen sind, schützen und deren Teilhabe stärken;
MENSCHENRECHTSVERTEIDIGER*INNEN (MRV)
8. sich gegenüber der kolumbianischen Regierung für eine wirksame und schnelle Umsetzung von Schutzmaßnahmen für MRV unter Beteiligung der Betroffenen einzusetzen und von der kolumbianischen Regierung eine umfassende und zügige Untersuchung von Übergriffen auf MRV sowie strafrechtliche Verfolgung der Täter*innen einschließlich ihrer Auftraggeber*innen durch unabhängige Stellen einzufordern;
9. die Zugänge zu Schutzprogrammen für MRV, etwa die Elisabeth-Selbert-Initiative und die Hannah-Arendt- Initiative, zu vereinfachen sowie eine breitere Bekanntmachung dieser Initiativen durch die Auslandsvertretungen zu gewährleisten, um ihre Wirksamkeit in akuten Bedrohungssituationen für MRV sicherzustellen;
REFORMEN IN POLIZEI UND MILITÄR
10. kontinuierlich und auf hochrangiger Ebene von der Regierung Kolumbiens umfassende, menschenrechtskonforme Strukturreformen bei Polizei und Militär einzufordern und eine wirksame Beteiligung der Zivilgesellschaft an diesem Reformprozess sowie regelmäßige Rechenschaftslegung darüber anzumahnen;
11. verbindliche, menschenrechtsbasierte Vorgaben für jede Art von Sicherheitskooperation Deutschlands mit Drittstaaten festzulegen – auch für die Kooperationen mit der Polizei und dem Militär Kolumbiens. Aus und Fortbildungsmaßnahmen sollten etwa immer die Prävention genderspezifischer Gewalt beinhalten;
WIRTSCHAFT UND MENSCHENRECHTE
12. zu gewährleisten, dass die Sorgfaltspflichten von Unternehmen für Menschenrechte für die gesamte Wertschöpfungskette rechtsverbindlich festgeschrieben bleiben, und Behörden technisch, personell und finanziell ausreichend auszustatten, um deren Einhaltung zu prüfen. Verbindlich verankert werden müssen insbesondere die Verpflichtung von Unternehmen zu Gegenmaßnahmen und zu Wiedergutmachung bei Menschenrechtsverletzungen sowie wirksame Sanktionen bei Sorgfaltspflichtverstößen, umfassende Klagemöglichkeiten und die Beteiligung von Betroffenen sowie das Herstellen von Transparenz über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten;
13. mit Mitteln der Klima – und Energiepartnerschaft einen Strukturwandel-Fonds einzurichten, der aus schließlich zur Wiedergutmachung von Schäden und zur Finanzierung von Strukturwandel für direkt vom Kohlebergbau betroffene Gemeinschaften dient.