Juni 2012
Liebe LeserInnen
Mit diesem Newsletter verabschieden wir uns in die Sommerpause. Die nächste Ausgabe werden Sie Ende August in der Mailbox finden. Wiederum haben wir für Sie recherchiert und aktuelle Neuigkeiten und Berichte zusammengestellt, um Sie auf dem Laufenden zu halten. Gemäss den vielen positiven Feedbacks und NeuabonenntInnen sind wir auf dem richtigen Weg. Das freut uns sehr.
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Dieser Newsletter erscheint seit April 2010 monatlich und hält Sie Kolumbien spezifisch auf dem Laufenden. Sie erfahren Aktuelles über Kolumbien und über die Aktivitäten der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien, erhalten lesenswerte Informationen direkt aus dem Land und werden über wichtige Veranstaltungen informiert. Falls Sie den Newsletter nicht mehr erhalten möchten, können Sie ihn jederzeit mit einem Mail abbestellen. [kommunikation@askonline.ch]
I. Artikel
1. Die politischen Gefangenen Kolumbiens (von Ann-Seline Fankhauser)
Mit dem Menschenrechtsverteidiger Franklin Castañeda weilt zurzeit der Präsident des Solidaritätskomitees mit den politischen Gefangenen in Kolumbien (Comité de Solidaridad con los Presos Políticos, CSPP) in der Schweiz. Anlässlich einer Veranstaltung in Bern hatte die ASK die Gelegenheit sich mit ihm zu unterhalten.
2. Überschrittene Grenzwerte von Schadstoffen in der Luft sowie eine Zugentgleisung wirbeln Staub auf (von Annette Wallimann)
Wie das RCN Radio am 7. Juni 2012 berichtete, gab die dem Umweltministerium angegliederte nationale Behörde für Umweltlizenzen ANLA Anfang Juni 2012 bekannt, dass aufgrund der anhaltenden Umweltprobleme und insbesondere der hohen Staubbelastungen im Departement Cesar, verschiedene von der Glencore-Prodeco Gruppe beantragte Umweltlizenzen zur Erweiterung ihrer Kohleminen vorerst nicht erteilt werden.
II. Apropos
Weitere Führungsperson im Landrückgabeprozess ermordet
Jairo Mejía Martínez setzte sich seit in Krafttreten des Opfer- und Landrückgabegesetzes vor einem Jahr im Gebiet der Montes de María für die Landrückgabe an die vertriebenen Bauern ein. Seit 2007 wurden in Kolumbien rund 60 Führungspersonen des Landrückgabeprozesses ermordet. Nur ein Fall wurde bislang von der Justiz aufgeklärt. Die Organisation Amerikanischer Staaten verurteilt den Mord und klagt die generalisierte Gewalt und die Drohungen gegen soziale Führungspersonen in Kolumbien als gravierende Rechtsverletzung der Opfer des Konfliktes auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung an.
http://www.eltiempo.com/justicia/oea-rechaza-crimen-de-reclamante-de-tierras_11954666-4
Verurteilung von Militärangehörigen in 3 Fällen aussergerichtlicher Hinrichtungen
Marcos Quintero Rivera, sein Sohn Marcos Quintero und Nelson Paez wurden am 27. März 2007 Opfer aussergerichtlicher Hinrichtungen durch die 5. Militärbrigade im Departement Santander. Die Opfer wurden als im Kampf gefallene Mitglieder illegaler bewaffneter Gruppen ausgegeben. 5 Jahre später konnte nun in der Hauptverhandlung bewiesen werden, dass die angeblichen Kampfhandlungen nie stattgefunden hatten, und die 10 involvierten Militärangehörigen wurden zu 46-jährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Obwohl die Opferverteidigung beantragte, die Morde als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuerkennen, hüteten sich die Richter vor einer solchen Aussage. Die sogenannten falsos positivos werden somit weiterhin als isolierte Einzelfälle betrachtet, die auf irreguläre Handlungen einzelner Militärangehöriger zurückzuführen sind, und nicht als ein während der Regierung Uribe weitverbreitetes Phänomen und systematisches Verbrechen. Obwohl das Urteil für Angehörige und Menschenrechtsverteidiger von grosser Bedeutung ist, bleibt mit der Nicht-Anerkennung eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit im Falle der falsos positivos die Findung von Wahrheit und Gerechtigkeit ein beschwerlicher Weg.
http://justiciaypazcolombia.com/46-anos-de-prision-contra-diez
Auch im Falle des Massakers von San José de Apartadó im Jahr 2005 wurden die Gefängnisstrafen gegen vier Militärangehörige jüngst bestätigt.
Indigenes Volk der Awá vom Aussterben bedroht
Ein von verschiedenen Organisationen erarbeiteter Bericht fordert die UNO und den internationalen Strafgerichtshof dazu auf, unverzüglich Massnahmen zu ergreifen, um den Völkermord an den Awá in Kolumbien aufzuhalten. Die Awá sind eines von 35 indigenen Völkern, die durch das kolumbianische Verfassungsgericht als akut vom Aussterben bedroht bezeichnet wurde. Aufgrund des bewaffneten Konfliktes und den damit einhergehenden Menschenrechtsverletzungen ist das physische und kulturelle Überleben dieser indigenen Völker in Gefahr. Trotz der vorhandenen nationalen und internationalen Rechtsprechung kommt die kolumbianische Regierung ihrer Schutzverpflichtung gegenüber den Awá nicht nach. Durch die Intensivierung des bewaffneten Konfliktes auf ihrem angestammten Territorium (Nariño und Putumayo), welches sowohl für die verschiedenen bewaffneten Akteure wie auch für die Wirtschaft von strategischem Interesse ist, nehmen Morde, Entführungen und Vertreibungen stetig zu.
http://www.colectivodeabogados.org/Se-presento-informe-en-Barcelona
Vollständiger Bericht und Pressemitteilung: http://www.askonline.ch/themen/menschenrechte/berichte-ausgewaehlter-organisationen/informe-pueblo-awa/
Tiefere Mordrate in Bogotá
Zum ersten Mal seit 30 Jahren ist die Mordrate in Bogotá im Vergleich zum Vorjahr gesunken.
Mit 16.7 Morden pro Tag konnte sich Bogotá klar von den 50 gewalttätigsten Städten der Welt distanzieren.
Ankündigung von Besprühungen im Chocó
Die Ankündigung der Regierung Anfang Juni, durch Besprühungen mit Glyphosat die illegalen Kokaplanzungen in den Gemeinden des Alto Baudó in Chocó zu bekämpfen, hat eine Mobilisierungswelle der afrokolumbianischen und indigenen Gemeinschaften ausgelöst. Die Menschen wehren sich gegen die Besprühungen aus der Luft, durch welche auch Pflanzungen zur Selbstversorgung zerstört werden, das Wasser verschmutzt wird und durch die sie gravierende gesundheitliche Schäden davontragen. In verschiedenen Versammlungen wurde die generelle Abwesenheit des Staates und die grassierenden Armut in der Region für die illegalen Kokaplanzungen, die der Bevölkerung einen Zusatzverdienst ermöglichen, verantwortlich gemacht. Die nationale, regionale und lokale Regierung wurden dazu aufgerufen sich mit den Gemeinschaften über Möglichkeiten zur Verhinderung des Kokaanbaus und der Entwicklung in der Region zu verständigen. Bislang wurden die angekündigten Besprühungen nicht durchgeführt.
Skandal um Justizreform
Mit einer integralen Justizreform sollte vordergründig die Administration der Justiz neu organisiert und verbessert werden, um dem Problem der Anhäufung und des Liegenbleibens von unbehandelten Fällen entgegenzuwirken. Richter, Kongressabgeordnete und Akademiker sollten einen Vorschlag zur Verfassungsreform ausarbeiten. Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen wurde jedoch bald von einer Verfassungsreform abgeraten. Trotzdem wurde das Projekt von den jeweiligen Justizministern weiter vorangetrieben. Die Debatten im Parlament wurden von verschiedenen Kongressabgeordneten jedoch schon bald dazu missbraucht, Bestimmungen zu ihren eigenen Gunsten einzubringen und die praktisch totale Straflosigkeit für Parlamentarier festzulegen. Die laufenden und hängigen Untersuchungen rund um den Parapolitikskandal wären mit einem Schlag vom Tisch gewesen. Trotz monatelanger öffentlicher Kritik und Lobbyarbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen wurde die Verfassungsreform am 20. Juni 2012 durch den Kongress angenommen. Die öffentliche Entrüstung war gross und innerhalb kürzester Zeit formierte sich eine zivilgesellschaftliche Bewegung mit dem Ziel, durch ein Referendum die Aufhebung der Gesetzesreform zu erreichen. Als Reaktion auf den öffentlichen Aufschrei wies Präsident Santos die Verfassungsreform zurück, mit dem Argument der Justizminister sei von den Abschlussdiskussionen zur Ausarbeitung ausgeschlossen worden und die Regierung hätte die Kontrolle über das Projekt verloren. In einer neuen Abstimmung am 28. Juni wurde das Projekt letztendlich vom Kongress abgelehnt und begraben.
http://www.semana.com/politica/reforma-justicia-paso-paso-irresponsabilidad/179402-3.aspx
http://viva.org.co/cajavirtual/svc0309/articulo01.html
Rahmengesetz für den Frieden verabschiedet
Das Rahmengesetz für den Frieden (marco jurídico para la paz), das Mitte Juni vom kolumbianischen Kongress angenommen wurde, wird von der Regierung als eigentliche Voraussetzung für die Konstruktion eines möglichen Friedensprozesses angesehen. Das Gesetz legt die Grundsteine einer künftigen Übergangsjustiz fest, so zum Beispiel die Suspendierung der Strafen verurteilter Personen als Anreiz zur Demobilisierung, das Verbot der politischen Tätigkeit der im Rahmen der Übergangsjustiz Verurteilten oder aber Kriterien für eine selektive Strafverfolgung.
Das Gesetz wird aus unterschiedlichen Kreisen kritisiert, da es die Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen massiv fördere, die Rechte der Opfer auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung missachte und vor allem auch weil es nicht nur auf die illegalen bewaffneten Akteure Anwendung findet sondern auch auf die regulären Streitkräfte (vgl. ASK – Newsletter No.514, 2012). Die Tatsache, dass all diejenigen die wegen Verbrechen verurteilt werden, aber unter dem Rahmengesetz in den Genuss eines Straferlasses kommen, von jeglicher zukünftiger politischer Tätigkeit ausgeschlossen werden, lässt eine Zustimmung unter diesen Bedingungen seitens der Guerillabewegungen mehr als fraglich erscheinen.
http://www.eltiempo.com/politica/aprueban-conciliacin-de-marco-para-la-paz-en-cmara_11958553-4
Gewaltsames Verschwindenlassen ist immer noch gängige Praxis
Noch heute wird das gewaltsame Verschwindenlassen durch die Streitkräfte und paramilitärische Gruppen als Mittel der politischen Verfolgung von vermeintlichen Feinden angewendet. Die Opfer sind soziale Aktivisten, Gemeinschaftsführer, Menschenrechtsverteidiger und Gewerkschafter. Einerseits sollen die Opfer von ihrer Aktivität abgehalten und für diese bestraft werden, andererseits dient das gewaltsame Verschwindenlassen aber auch der Abschreckung gegenüber anderen Aktivisten. Das gewaltsame Verschwindenlassen ist als eine Strategie zur Ausübung politischer Kontrolle zu betrachten. Indem der kolumbianische Staat seinen Verpflichtungen, die für ihn aus dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen hervorgehen, nicht nachkommt, macht er sich mitschuldig, so die Schlussfolgerung des Berichtes der Koordination Kolumbien – Europa – USA.
Klage gegen die Weltbank wegen Investition in den Goldabbau auf dem Páramo de Santurbán
Am 13. Juni 2012 haben soziale Organisationen aus Bucaramanga, Hauptstadt des Departements Santander, eine Klage gegen die IFC (International Finance Corporation) die Finanzgesellschaft der Weltbank, eingereicht. Das Klagedokument wurde einem internen Ombudsman und Überwacher der Finanzgesellschaft übergeben, mit dem Vorwurf, die IFC fördere das Goldförderungs-Projekt „Angostura“ der kanadischen Unternehmung Eco Oro Minerals Corporation (früher Greystar Corporation), ohne die sozialen und ökologischen Auswirkungen des Projekts grundlegend zu evaluieren und obwohl es in einem Hochmoor, dem Páramo de Santurbán, zu liegen kommt.
III. Tipps und Hinweise
Mexiko: Menschenrechte und soziale Bewegungen nach den Präsidentschaftswahlen
Nach einem konfrontativen Wahlkampf und dem Urnengang vom 1. Juli 2012 werden in Mexiko die Karten der politischen Macht neu gemischt.
Mittwoch, 4. Juli 2012, 19.30 Uhr im Volkshaus Zürich
Freitag, 6. Juli 2012, 19.30 Uhr im Käfigturm Bern
Infos und Flyer: http://www.askonline.ch/veranstaltungen/
Buchtipp: Tirándole libros a las balas. Memoria de la violencia antisindical contra los educadores de ADIDA 1978-2008 von Guillermo Correa Montoya
Mit den jüngsten Freihandelsabkommen erlangte die seit Jahren weitverbreitete Gewalt an Gewerkschaftern in Kolumbien durch die Medien neue Aktualität und wurde durch diese aus der Vergessenheit wieder ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Das Buch zeigt auf, dass es sich dabei keineswegs um ein neues Phänomen handelt.
http://www.ens.org.co/index.shtml?s=e&m=a
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