Kolumbien-aktuell No. 568 und Monatsbericht | März 2017

Liebe Leserinnen und Leser Langsamer als erwünscht und nötig schreitet die Umsetzung des Friedensabkommens mit den FARC voran. Die Gegner eines umfassenden Friedens haben Aufwind und versuchen, eine korrekte Umsetzung zu hintertreiben, zum Beispiel in Bezug auf die Übergangsjustiz. Unser Fachstellenmitarbeiter Stephan Suhner konnte sich auf einer Kolumbienreise im März vor Ort ein Bild von […]

Liebe Leserinnen und Leser
Langsamer als erwünscht und nötig schreitet die Umsetzung des Friedensabkommens mit den FARC voran. Die Gegner eines umfassenden Friedens haben Aufwind und versuchen, eine korrekte Umsetzung zu hintertreiben, zum Beispiel in Bezug auf die Übergangsjustiz. Unser Fachstellenmitarbeiter Stephan Suhner konnte sich auf einer Kolumbienreise im März vor Ort ein Bild von der komplexen Realität machen und spüren, wie enorm wichtig die internationale Begleitung in nächster Zeit bleiben wird. Als ask! bleiben wir dran und unterstützen unsere kolumbianischen Partnerorganisationen in dieser schwierigen Zeit zwischen neoparamilitärischer Gewalt und Postkonflikt.
Solidarische Grüsse aus der Redaktion!
I.  Artikel
Sonderjustiz für den Frieden: ein Gesetz mit Mängeln
Im März verabschiedete der kolumbianische Kongress nach langen Debatten das Gesetz für die Sonderjustiz für den Frieden. Verschiedene Änderungen, die der Kongress eigenmächtig vorgenommen hat, entsprechen weder dem Friedensabkommen noch den Anliegen der Opfer von Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des Konflikts. Die Behebung der Mängel des verabschiedeten Gesetzes erhöht die Chancen für einen nachhaltigen Frieden in Kolumbien.
(Von Fabian Dreher)
http://www.askonline.ch/themen/friedensfoerderung/wahrheit-wiedergutmachung-und-gerechtigkeit/sonderjustiz-fuer-den-frieden-ein-gesetz-mit-maengeln/
II. Monatsbericht: Unsichere Perspektiven für den Frieden
Der vorliegende Monatsbericht basiert auf den Eindrücken einer Kolumbienreise im März und auf verschiedenen Gesprächen mit MenschenrechtsverteidigerInnen und sozialen Führungspersonen. Die Eindrücke sind dabei recht widersprüchlich. Da fällt einerseits die hohe Zahl an Touristen im Vergleich noch zu vor drei Jahren auf und ein spürbar erhöhtes Sicherheitsempfinden, sowie der wirtschaftliche Fortschritt, der sich unter anderem in einem enormen Bauboom beispielsweise in Medellín und in Rionegro – dem zweiten Stock Medellíns – und einer grossen Anzahl deutscher Luxus-SUVs manifestiert. Andererseits lasten die Unsicherheiten über die Implementierung des Friedensabkommens mit den FARC und die Zukunft der Verhandlungen mit dem ELN sowie die paramilitärische Gewalt schwer auf den Gesprächspartnern. Die Zukunft des Friedensprozesses ist auch stark abhängig von den Präsidentschaftswahlen, der Wahlkampf für 2018 hat schon begonnen.
(Von Stephan Suhner)
http://www.askonline.ch/publikationen/monatsberichte/unsichere-perspektiven-fuer-den-friedensprozess/
III. Apropos
Die Bedrohungslage durch den Paramilitarismus
Die Regierung Santos bestreitet weiterhin die Existenz paramilitärischer Gruppierungen, so auch aktuell vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission. Internationale Beobachter sind sich jedoch einig, dass Nachfolgeorganisationen der Paramilitärs weiterhin in vielen Gebieten Kolumbiens aktiv sind.
MenschenrechtsverteidigerInnen, soziale Führungspersonen, politische AktivistInnen und JournalistInnen werden auch im März 2017 von paramilitärischen Gruppen bedroht, eingeschüchtert und ermordet. Zudem wurden auch diesen Monat zahlreiche Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sowie afrokolumbianische und indigene Gemeinschaften von ihrem Land vertrieben.
Ein Ende der paramilitärischen Gewalt ist nur möglich, wenn sämtliche gesellschaftlichen Akteure bereit sind, an einer friedlichen Zukunft zu arbeiten. Das Verhalten verschiedener Personen aus dem politischen Umfeld des Paramilitarismus zeichnet hier leider ein düsteres Bild.
http://www.resumenlatinoamericano.org/2017/03/22/colombia-el-gobierno-vuelve-a-negar-la-realidad-ante-la-cidh/
http://www.sinaltrainal.org/index.php/noticias/internacionales/5114-en-el-estado-colombiano-hay-mucha-negacion-sobre-los-paramilitares
https://www.colectivodeabogados.org/?Delegacion-asturiana-constato-continuidad-del-paramilitarismo-en-Colombia
http://remapvalle.blogspot.ch/2017/03/paramilitares-declaran-objetivo-militar-a-periodistas.html
http://www.resumenlatinoamericano.org/2017/03/08/colombia-el-paramilitarismo-sigue-asesinando-a-militantes-comunistas-un-lider-y-una-lideresa-social-en-meta/
http://www.telesurtv.net/news/Denuncian-incursion-paramilitar-en-el-noroeste-de-Colombia-20170305-0012.html
http://www.contagioradio.com/cerca-de-700-desplazados-deja-incursion-paramilitar-en-alto-baudo-choco-articulo-37246/
http://www.verdadabierta.com/procesos-de-paz/farc/6561-urge-pacto-politico-para-acabar-con-el-paramilitarismo-carlos-lozada
http://www.resumenlatinoamericano.org/2017/03/10/colombia-paramilitarismo-en-el-congreso-muestra-los-dientes-al-proceso-de-paz/
Amnesty International: Jahresbericht Menschenrechte 2016/2017
In ihrem jährlichen Bericht zur Lage der Menschenrechte betont Amnesty International die Fortschritte, welche auf Grund des Friedensabkommens erzielt wurden. So gingen die Menschenrechtsverletzungen in der Folge von Kampfhandlungen deutlich zurück. Kritisch äussert die Menschenrechtsorganisation sich zur Sonderjustiz für den Frieden, da diese teilweise internationales Recht verletzt und die Rechte der Opfer nicht genügend würdigt. Ebenso kritisiert wird die fortlaufende Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Akteure und paramilitärische Gruppierungen. Laut dem Bericht sind insbesondere die Menschenrechte von MenschenrechtsverteidigerInnen, sozialen Führungspersonen, Landrechts- und Umweltschutz- und Friedensaktivisten sowie Gewerkschaftern weiterhin unter Druck.
https://www.amnesty.org/en/countries/americas/colombia/report-colombia/
Konfliktreicher Rohstoffabbau in Südamerika
Der Abbau von Rohstoffen boomt und trägt in vielen Ländern Südamerikas massgeblich zum Wirtschaftswachstum bei. In acht Ländern, darunter auch Kolumbien, macht der Abbau von Rohstoffen über zehn Prozent des Bruttoinlandprodukts und über 50 Prozent der Exporte aus. Einerseits finanzieren mehrere Länder damit Entwicklungsprogramme, die staatlichen Einnahmen aus dem Rohstoffabbau kommen so der Bevölkerung zu gute. Andererseits können schwankende Rohstoffpreise die Staatsbudgets aus dem Gleichgewicht bringen (so zum Beispiel in Venezuela) und die zunehmende Abhängigkeit vom Rohstoffabbau die Wirtschaft längerfristig destabilisieren.
Ebenso kommt es im Umfeld des Rohstoffabbaus oft zu sozialen Konflikten auf Grund von Umweltverschmutzungen, Umsiedlungen, Vertreibungen und weiteren Menschenrechtsverletzungen. Zur Vermeidung oder Minimierung dieser Konflikte ist ein Dialog zwischen Minengesellschaften, betroffenen Gemeinschaften sowie staatlichen Akteuren notwendig, der die Rechte aller garantiert und gemeinsam nach Lösungen für sämtliche auftretenden Probleme sucht.
http://www.razonpublica.com/index.php/economia-y-sociedad/10095-industria-extractiva-y-conflictos-sociales-en-am%C3%A9rica-latina.html
Der politische Arm des Drogenhandels
2015 kandidierte Diego Fernando Pizarro Portilla für die Partei Centro Democrático das Bürgermeisteramt der Gemeinde Tumaco im Departement Nariño. Am 2. Februar 2017 wurde Pizarro nun nach zweijähriger Untersuchung in Cali verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, eine kriminelle Bande für den Drogenschmuggel nach Zentralamerika angeführt zu haben. Er reiht sich damit in eine lange Liste von Personen aus dem Umfeld des Centro Democrático ein, denen eine mehr oder weniger enge Verbindung zum Drogenhandel nachgewiesen werden kann.
http://www.semana.com/opinion/articulo/ariel-avila-en-el-centro-democratica-hay-un-narco/516490
Jahresbericht des Büros des UNO Hochkommissariats für Menschenrechte zur Situation der Menschenrechte in Kolumbien
Der Jahresbericht hält verschiedene Herausforderungen im Menschenrechtsbereich fest, vor allem in Bezug auf den ländlichen Raum, die Sicherheit der Bürger, die Gewalt in Zusammenhang mit illegalen wirtschaftlichen Aktivitäten, die Angriffe auf MenschenrechtsverteidigerInnen, die Korruption und die Ungleichheit im Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte.
http://www.hchr.org.co/documentoseinformes/informes/altocomisionado/informes.php3?cod=20&cat=11
http://www.hchr.org.co/documentoseinformes/informes/altocomisionado/informe-anual-2016.pdf
https://www.colectivodeabogados.org/?Informe-anual-del-Alto-Comisionado-de-las-Naciones-Unidas-para-los-Derechos8219
 

IV.Tipps und Hinweise

 Veranstaltungshinweis: Black Feminism – eine kolumbianische Perspektive

Dienstag, 4. April 2017 um 19:00 Uhr im Frauenraum der Reitschule Bern
(der Anlass ist für alle Geschlechter offen)

https://frauenraum.ch/programm/anlass/black-feminism-eine-kolumbianische-perspektive/

Veranstaltungshinweis: Kolumbien: historisches Gedächtnis, Postkonflikt und Transmigration

Internationales Symposium Goethe-Universität Frankfurt, 3. bis 5. Mai 2017

Unter der Schirmherrschaft von MdB Tom Koenigs, Beauftragter des Bundesministers des Auswärtigen Amtes zur Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung.

http://www.symposiumkolumbien.de/

Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien: 30 Jahre kompetente Information zu Kolumbien

Seit 30 Jahren erarbeitet die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien ask! unablässig ein fundiertes Basiswissen zu Kolumbien. Dank diesem Basiswissen informiert die ask! unabhängig und kompetent im Rahmen von Kampagnen und Veranstaltungen über Kolumbien und die kolumbianische Zivilgesellschaft.

Mitglieder und Fachstelle der ask! erarbeiten dabei die Informationen gemeinsam und sorgen für Erhalt und Verbreitung des Basiswissens. Möchten Sie aktiv an der Informationsarbeit der ask! mitwirken? Dann werden Sie Aktivmitglied und setzen gemeinsam mit der Fachstelle und anderen Mitgliedern Schwerpunkte. Ebenso danken wir unseren Spenderinnen und Spendern, die seit 30 Jahren unsere Informationsarbeit unterstützen und ermöglichen.

V.  Lesenswerte Artikel

 –       Umsetzung des Landrückgabegesetzes: https://www.nzz.ch/international/landrueckgabe-in-kolumbien-warten-auf-die-heimkehr-ld.151304

–       Zunahme der Kokaproduktion – eine Analyse: http://www.razonpublica.com/index.php/conflicto-drogas-y-paz-temas-30/10115-la-realidad-y-las-causas-del-aumento-de-los-cultivos-de-coca.html

–       Machtsicherung von Regionalfürsten in Kolumbien: http://www.razonpublica.com/index.php/politica-y-gobierno-temas-27/10107-%E2%80%8Bel-%E2%80%9Ctaita%E2%80%9D-que-domina-la-pol%C3%ADtica-y-la-econom%C3%ADa-del-quind%C3%ADo.html

–       Tourismus und Umweltschutz: http://www.razonpublica.com/index.php/economia-y-sociedad/10109-conservaci%C3%B3n-para-el-turismo-o-turismo-para-la-conservaci%C3%B3n.html

 Redaktion: Fabian Dreher

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