Kolumbien-aktuell No. 573 und Monatsbericht | September 2017

Liebe Leserinnen und Leser Während im Zuge der Umsetzung des Friedensabkommens zwischen der Regierung und den FARC bewaffnete Auseinandersetzungen sowie die allgemeine Gewalt in Kolumbien abnimmt, trifft dies bis heute für die MenschenrechtsverteidigerInnen leider nicht zu. Im ersten Halbjahr 2017 haben die Morde an sozialen Führungspersonen und MenschenrechtsverteidigerInnen deutlich zugenommen. Der Waffenstillstand zwischen Regierung und […]

Liebe Leserinnen und Leser
Während im Zuge der Umsetzung des Friedensabkommens zwischen der Regierung und den FARC bewaffnete Auseinandersetzungen sowie die allgemeine Gewalt in Kolumbien abnimmt, trifft dies bis heute für die MenschenrechtsverteidigerInnen leider nicht zu. Im ersten Halbjahr 2017 haben die Morde an sozialen Führungspersonen und MenschenrechtsverteidigerInnen deutlich zugenommen. Der Waffenstillstand zwischen Regierung und ELN sowie das Angebot der grössten paramilitärischen Gruppierung, sich Regierung und Justiz zu unterwerfen, lassen jedoch eine friedlichere Zukunft erhoffen. Auch Papst Franziskus rief anlässlich seiner fünftägigen Kolumbienreise dazu auf, weiter am Frieden zu arbeiten.
Vorsichtig optimistisch blickt auch die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien in die Zukunft. An verschiedenen Veranstaltungen zum 30jährigen Bestehen blickte die ask! im August und September 2017 zurück auf eine bewegte Geschichte und vorwärts auf die Herausforderungen des aktuellen Friedensprozesses. Die ask! bleibt auch weiterhin den Menschenrechten in Kolumbien und der Welt verpflichtet und verschafft der kolumbianischen Zivilbevölkerung eine Stimme. Auch dank ihrer Unterstützung. Und falls Sie uns noch nicht unterstützen, können Sie hier gleich Mitglied der ask! werden.
Solidarische Grüsse aus der Redaktion!
I. Artikel
Kein Frieden für MenschenrechtsverteidigerInnen
Dank dem Friedensabkommen zwischen Regierung und FARC nimmt die Gewalt in Kolumbien im ersten Halbjahr 2017 deutlich ab. Davon ausgenommen ist leider die Gewalt gegen MenschenrechtsverteidigerInnen. Während die Drohungen leicht abnehmen, haben vor allem die Morde an Verteidigerinnen und Verteidigern der Menschenrechte deutlich zugenommen.
(Von Fabian Dreher)
http://www.askonline.ch/themen/menschenrechte/berichte-ausgewaehlter-organisationen/kein-frieden-fuer-menschenrechtsverteidigerinnen/
Paramilitarismus unter Druck
Wie im Friedensvertrag mit den FARC ausgehandelt, hat der Kongress ein Verbot paramilitärischer Gruppen in die kolumbianische Verfassung aufgenommen. Militärisch und juristisch sind die Paramilitärs aktuell unter Druck, bauen aber ihre Macht in den von den FARC aufgegebenen Regionen mit Gewalt aus. Hoffnung gibt jedoch ein Angebot des Clan del Golfo (auch bekannt als AGC oder Clan Úsuga), sich der kolumbianischen Justiz zu unterwerfen.
(Von Fabian Dreher)
http://www.askonline.ch/themen/friedensfoerderung/konfliktdynamik-und-bewaffnete-akteure/paramilitarismus-unter-druck/
II. Monatsbericht: Vom Gewehr in der Hand zur Macht des Befehlsstabes – Die Geschichte des Quintin Lame im Cauca
Aus Anlass des 30-Jahr-Jubiläums der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien haben wir verschiedene Diskussionsabende und Vorträge rund um das Thema Frieden organisiert. Dazu haben wir Maria Deisy Quistial als Kampagnengast eingeladen. Deisy war früher Kämpferin der indigenen Guerilla Quintín Lame im Cauca, hat am Friedensprozess 1990 teilgenommen und arbeitet heute mit der Stiftung Sol y Tierra. Eines ihrer grossen Anliegen ist die Aufarbeitung der Erlebnisse der Frauen in der Guerilla, und die Begleitung der heute zu demobilisierenden Kämpferinnen. Dazu reist sie im Land umher, teilt ihre Erfahrungen und war auch in Havanna.
(Von Stephan Suhner)
http://www.askonline.ch/publikationen/monatsberichte/interview-mit-deisy-quistial/
III. Apropos
Papst Franziskus besucht Kolumbien
Bis 1991 war der katholische Glaube Staatsreligion in Kolumbien, erst zu diesem Zeitpunkt wurde die Trennung von Staat und Religion in der Verfassung verankert. Und auch wenn protestantische und evangelikale Kirchen hohen Zulauf verzeichnen, ist Kolumbien bis heute stark von der katholischen Kirche geprägt.
Entsprechend enthusiastisch wurde Papst Franziskus bei seinem Besuch in Kolumbien im September 2017 empfangen. Gemäss Medienberichten nahmen über 1,3 Millionen Menschen an seiner Messe in Medellín teil. Der Papst kam jedoch nicht nur nach Kolumbien, um mit seinen Gläubigen Messen zu feiern, sondern auch mit einer zumindest teilweise politischen Botschaft. Die Reise stand unter dem Titel „Demos el primer paso“ (machen wir den ersten Schritt) im Zeichen der Versöhnung und Frieden. Er rief dazu auf, weiter für den Frieden zu kämpfen und die Versöhnung mit allen KolumbianerInnen zu suchen. Auch wenn dies schwerfalle, gerade für die Opfer der Gewalt.
Eher zögerlich, unter Rücksichtnahme auf den konservativen Klerus Kolumbiens, bat Franziskus auch um Vergebung für die Verantwortung der katholischen Kirche im bewaffneten Konflikt. Es sind denn auch eher die dunklen Kapitel des Katholizismus in Kolumbien, die Anlass zu Kritik geben, und nicht der gegenwärtige Pontifex. Lange, viel zu lange hat die katholische Kirche Armee und Polizei bedingungslos unterstützt und selbst mit Paramilitärs zusammengearbeitet. Mit der Verteufelung von Liberalen und (vermeindlichen) KommunistInnen wurde Gewalt gegen Progressive, Anders- oder Nichtgläubige gerechtfertigt. Und auch heute noch hängen viele Kirchenobere einer rassistischen und frauenfeindlichen Ideologie nach, die Gewalt gegen Frauen, Indigene und AfrokolumbianerInnen als legitim ansieht.
Die Reise von Papst Franziskus und seine Reden sind denn auch nur als erster notwendiger Schritt zu sehen. Denn damit die kolumbianische Bevölkerung und insbesondere auch die Opfer der Gewalt der katholischen Kirche vergeben können, müssen den Worten auch Taten folgen.
http://www.eltiempo.com/colombia/medellin/misa-del-papa-francisco-en-medellin-en-vivo-128864
http://www.resumenlatinoamericano.org/2017/09/11/colombia-francisco-la-movilizacion-por-la-paz-y-la-participacion/
http://m.elcolombiano.com/el-papa-pidio-a-colombia-un-esfuerzo-para-construir-la-paz-DN7294665
https://www.nzz.ch/international/aktuelle-themen/franziskus-in-kolumbien-der-papst-fordert-ein-perdon-ld.1315409
https://www.razonpublica.com/index.php/conflicto-drogas-y-paz-temas-30/10516-francisco-en-colombia-una-visita-por-la-paz-y-la-justicia-social.html
http://prensarural.org/spip/spip.php?article21994
http://www.contagioradio.com/especial-siete-pecados-de-la-iglesia-catolica-en-el-conflicto-sociopolitico/
Waffenstillstand zwischen der Regierung und dem ELN
Nach schwierigen Gesprächen Ende August und Anfang September haben die Regierung Kolumbiens und das Nationale Befreiungsheer ELN pünktlich vor dem Papstbesuch einen gegenseitigen Waffenstillstand beschlossen.
Der Waffenstillstand tritt am 1. Oktober 2017 in Kraft und gilt vorerst für 102 Tage, bis am 12. Januar 2018. Danach kann die Waffenruhe verlängert werden. Das ELN verpflichtet sich, auf Entführungen, Anschläge auf Infrastrukturanlagen zu verzichten sowie Angriffe gegen ZivilistInnen einzustellen. Die Details zur Umsetzung und Überwachung des Waffenstillstands werden aktuell von Regierung und ELN noch ausgehandelt.
Vor dem Inkrafttreten ist mit Scharmüzeln und einzelnen Gefechten zwischen Armee und ELN zu rechnen. Ebenfalls geklärt werden muss, wie sich das ELN gegenüber anderen bewaffneten Gruppierungen verhalten will.
http://www.luzernerzeitung.ch/nachrichten/international/kolumbien-will-auch-mit-der-eln-waffenruhe;art46446,1092149
https://www.nodal.am/2017/09/dialogos-de-paz-el-gobierno-colombiano-y-el-eln-matendran-reunion-clave-para-definir-cese-el-fuego-bilateral-ante-la-visita-del-papa/
http://movil.informador.com.mx/internacional/2017/737737/6/gobierno-de-colombia-pacta-alto-al-fuego-con-el-eln.htm
http://noticias.alianzanews.com/187_america/4779539_el-gobierno-colombiano-y-el-eln-haran-en-quito-un-anuncio-sobre-las-negociaciones-de-paz.html
https://www.nzz.ch/international/waffenstillstand-mit-der-eln-guerilla-der-papst-reist-als-friedensbringer-nach-kolumbien-ld.1314432
http://m.elcolombiano.com/colombia/dias-de-guerra-mientras-llega-la-tregua-con-el-eln-KJ7319279
FARC: die politische Partei der ehemaligen Guerilla
Mit einem mehrtägigen Gründungskongress vollzogen die FARC Anfang September ihren Übergang von der Guerilla zur politischen Partei. Ideologisch positionieren sich die FARC eher am linken Rand des politischen Spektrums, der Strategiewechsel bedeutet also keine Abkehr von den bisherigen politischen Positionen. Ebenfalls diskutiert wurde ein Namenswechsel. Die FARC nennen sich jedoch weiterhin FARC, die Buchstaben stehen jedoch neu für Fuerza Alternativa Revolucionaria del Común. Die neue politische Partei ist sich bewusst, dass sie an ihrer öffentlichen Wahrnehmung arbeiten muss, will sie in Zukunft zu einer realen politischen Kraft werden.
Das kolumbianische Verfassungsgericht hiess derweil ein Gesetzesdekret gut, das die Sicherheit der politischen Beteiligung der FARC sicherstellen soll. Dies entspricht einem Punkt des Friedensakommens und soll verhindern, dass es den Mitgliedern der neuen Partei wie einst den Mitgliedern der Union Patriótica ergeht.
Wie im Friedensabkommen vereinbart, haben die FARC ein Inventar ihrer Besitztümer erstellt. Mit diesen Mitteln sollen die Opfer ihrer Gewalt entschädigt werden. Die Publikation wurde teils polemisch kommentiert, da die FARC auch Strassen in den von ihnen kontrollierten Gebieten sowie Möbel und weitere Haushaltsgegenstände ins Inventar aufgenommen haben. Insgesamt handelt es sich jedoch um ein geschätztes Vermögen von gegen 130 Millionen Schweizer Franken, darunter auch über 260 Kilogramm Gold. Die Kritik am Inventar wurde als politisch motiviert zurückgewiesen.
https://www.welt.de/newsticker/news1/article168045538/Kolumbiens-Ex-Guerilla-Gruppe-Farc-beginnt-Umwandlung-zu-politischer-Partei.html
http://noticias.alianzanews.com/187_america/4762919_comienza-el-congreso-de-las-farc-en-el-que-se-transformaran-en-partido-politico.html
http://www.nodal.am/2017/08/colombia-arranca-primer-congreso-las-farc-discutir-las-bases-partido-politico/
http://m.elcolombiano.com/partido-politico-de-las-farc-tiene-nombre-DA7211577
http://www.noticias.alianzanews.com/309_hispanic-world/4763511_farc-admits-is-must-overcome-its-stigmatization-to-succeed-as-political-party.html
https://www.razonpublica.com/index.php/politica-y-gobierno-temas-27/10498-c%C3%B3mo-ser%C3%A1-el-partido-de-las-farc-y-cu%C3%A1les-son-sus-retos-principales.html
http://m.elcolombiano.com/corte-constitucional-avala-seguridad-para-que-farc-haga-politica-NC7206179
http://www.contagioradio.com/45754-articulo-45754/
http://noticias.alianzanews.com/187_america/4759225_las-farc-dicen-que-el-inventario-de-sus-bienes-asciende-a-326-6-millones-de-dolares.html
V. Tipps und Hinweise
Comundo: Filmvorführungen „Wakena“
Comundo zeigt an drei Veranstaltungen in der Westschweiz den Film „Wakena“ über die Lebensbedingungen der indigenen Gemeinschaften in den kolumbianischen Departementen Vichada und Casanare.
·         Lausanne, Mittwoch, 25. Oktober 2017, 18:30 Uhr, UNIL Anthropole, Saal 4021
·         Neuchâtel, Donnerstag, 26. Oktober 2017, 18:30 Uhr, galería YD, Rue Fleury 6
·         Freiburg: Dienstag, 31. Oktober 2017, 18:30 Uhr, Büro von Comundo, Rue des Alpes 44
Brunch & ColombJass: Brunch und Soli-Jass- und Tichuturnier für Kolumbien
Die Jubiläumsveranstaltungen der ask! sind vorbei, aber unser jährliches Jassturnier steht vor der Tür. Dieses Jahr kann statt gejasst auch Tichu gespielt werden.
Sonntag, 19. November 2017, Brunch ab 10.00 Uhr, Turnier 12.30-17.30 Uhr;
aki Bern, Alpeneggstrasse 5, 3012 Bern (Länggasse)
Preis: 50 CHF für Brunch und Turnier (25 CHF nur Brunch; 30 CHF nur Spielturnier)
Ertrag zugunsten der Friedens- und Menschenrechtsarbeit der ask! Tolle Preise zu gewinnen!
Anmeldung: region.bern@askonline.ch, für Brunch bis 16. November, für Turnier empfohlen
Weitere Informationen: http://www.askonline.ch/veranstaltungen/
V.   Lesenswerte Artikel
–       30 Jahre Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien: http://www.swissinfo.ch/spa/nuevos-desaf%C3%ADos_treinta-a%C3%B1os-del-grupo-de-trabajo-suiza-colombia/43481248
–       Historische Ursachen der weitverbreiteten Korruption in Kolumbien: https://www.razonpublica.com/index.php/economia-y-sociedad/10483-por-qu%C3%A9-hay-tanta-corrupci%C3%B3n-en-colombia-una-explicaci%C3%B3n-hist%C3%B3rica.html
–       Ist der „verantwortungsbewusste Bergbau“ nur ein Werbeversprechen der Minengesellschaften? https://noalamina.org/latinoamerica/colombia/item/37560-anglo-gold-ashanti-cuando-la-mineria-responsable-es-solo-un-eslogan-empresarial
–       Kolumbianisches Paradoxon: die Goldproduktion nimmt ab, die Goldexporte jedoch steigen an: http://www.aminera.com/2017/08/28/colombia-cae-la-produccion-oro-aumentan-exportaciones/
–       Die wirtschaftlichen Chancen des Friedens in Kolumbien, laut dem Nobelpreisträger für Wirtschaft, Joseph Stiglitz: http://nuestropartidoescolombia.info/las-oportunidades-economicas-de-la-paz-en-colombia-segun-joseph-stiglitz/
–       Mangelnde Zusammenarbeit von Kolumbien mit dem Internationalen Strafgerichtshof: http://www.elespectador.com/noticias/judicial/le-hemos-pedido-al-fiscal-informacion-muy-precisa-y-no-la-hemos-recibido-fiscal-de-la-cpi-articulo-713009
Redaktion: Fabian Dreher
 
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