Kolumbien-aktuell No. 593 und Monatsbericht | Juni 2019

Seit über fünfzig Jahren wütet der bewaffnete Konflikt in Kolumbien. Als beteiligter Akteur hat auch der kolumbianische Staat dabei zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, so zum Beispiel aussergerichtliche Hinrichtungen von Zivilpersonen durch das Militär oder die willkürliche Verhaftung und juristische Verfolgung unschuldiger KleinbäuerInnen. Das Friedensabkommen mit den FARC enthält verschiedene Mechanismen, die […]

Seit über fünfzig Jahren wütet der bewaffnete Konflikt in Kolumbien. Als beteiligter Akteur hat auch der kolumbianische Staat dabei zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, so zum Beispiel aussergerichtliche Hinrichtungen von Zivilpersonen durch das Militär oder die willkürliche Verhaftung und juristische Verfolgung unschuldiger KleinbäuerInnen. Das Friedensabkommen mit den FARC enthält verschiedene Mechanismen, die die Verantwortung des Staates für die im bewaffneten Konflikt begangenen Verbrechen aufarbeiten, beurteilen sowie für Gerechtigkeit sorgen sollen. Während die Aufarbeitung vergangenen Unrechts jedoch erst begonnen hat, erreichen uns zunehmend Nachrichten über neue Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts durch staatliche Akteure. Insbesondere Polizei und Armee scheinen bis heute aus der Vergangenheit kaum etwas zu lernen. So wiederholt sich die Geschichte in Kolumbien und schafft täglich neue Opfer.

Während Gewalt, Morde an sozialen Führungspersonen und Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien weiter zunehmen, besuchte Präsident Duque im Mai bereits zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Monaten Europa. Neben dem Vereinigten Königreich und Frankreich stattete Duque dabei auch der Schweiz einen Besuch ab und traf sich mit Bundespräsident Ueli Maurer. Die ask! hofft, Bundesrat Maurer habe dabei auch die Verantwortung der kolumbianischen Regierung für die Umsetzung des Friedensabkommens angesprochen und nicht nur Werbung für die Schweizer Wirtschaft gemacht. Denn als Herkunftsstaat bedeutender Auslandinvestitionen in Kolumbien trägt die Schweiz eine Mitverantwortung für die Vermittlung in den dadurch verursachten sozialen Konflikten und für den Friedensprozess.

I.   Artikel

Ein Gesetzesprojekt will erneut die Agrarreform zerstören

Am Mittwoch, 5. Juni 2019, haben mehr als 180 Organisationen wegen dem Gesetzesprojekt 003, mit dem das Landreformgesetz Nr. 160 von 1994 abgeändert werden soll, einen Appell an die Regierung und den Kongress gerichtet. Die Forderung ist, dass das Projekt von den Beratungen zurückgezogen werden soll, da es den Zugang zu Land für KleinbäuerInnen nicht garantiert und dem Friedensabkommen zuwider läuft.

(Von Stephan Suhner)

http://www.askonline.ch/themen/natuerliche-ressourcen-und-agrarfrage/laendliche-entwicklung-und-agrarreform/gesetzesprojekt-003-zur-abaenderung-des-agrareformgesetzes-160/

Postkonflikt: hartnäckige geschlechtsspezifische Gewalt

Das hartnäckige Fortbestehen geschlechtsspezifischer Gewalt ist ein Hindernis für den territorialen Frieden in Kolumbien. In den ehemals vom bewaffneten Konflikt betroffenen Gebieten ist die Reduktion von geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt ein entscheidender Faktor zur Verankerung des sozialen Friedens.

(Von Fabian Dreher)

http://www.askonline.ch/themen/friedensfoerderung/wahrheit-wiedergutmachung-und-gerechtigkeit/postkonflikt-hartnaeckige-geschlechtsspezifische-gewalt/

Auswirkungen des bewaffneten Konflikts im Cauca

Während die Umsetzung des Friedensabkommens zwischen der Regierung Kolumbiens und den FARC in einigen Gebieten Kolumbiens zu einem Rückgang der Gewalt geführt hat, ist im Departement Cauca das Gegenteil der Fall. Der bewaffnete soziale Konflikt hat im Cauca 2018 und 2019 zu einer Zunahme der Gewalt und Menschenrechtsverletzungen geführt.

(Von Fabian Dreher)

http://www.askonline.ch/themen/friedensfoerderung/konfliktdynamik-und-bewaffnete-akteure/auswirkungen-des-bewaffneten-konflikts-im-cauca/

Erlebnisberichte von Opfern willkürlicher Verhaftungen

Unter dem ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe wurden im Rahmen der Politik der demokratischen Sicherheit viele Kleinbauern willkürlich durch Polizei und Armee verhaftet und juristisch verfolgt. Die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen prägen oft bis heute das Leben der Betroffenen. Mit Erlebnisberichten versuchen sie heute zur Konfliktverarbeitung beizutragen.

(Von Fabian Dreher)

http://www.askonline.ch/themen/menschenrechte/berichte-ausgewaehlter-organisationen/erlebnisberichte-von-opfern-willkuerlicher-verhaftungen/

Aktueller Stand der Landrückerstattungen

2011 verpflichtete sich Kolumbien mit dem Gesetz 1448, den Opfern von Zwangsvertreibungen und Landraub im Rahmen des bewaffneten Konflikts ihr Land zurückzugeben. Das Gesetz ist auf zehn Jahre befristet und läuft somit 2021 aus. Zwölf kolumbianische NGO kritisieren in einem Bericht[1] an die Interamerikanische Menschenrechtskommission die schleppende Umsetzung des Gesetzes und fordern entsprechend eine konsequente Umsetzung und eine Verlängerung des Landrückgabegesetzes.

(Von Fabian Dreher)

http://www.askonline.ch/themen/friedensfoerderung/wahrheit-wiedergutmachung-und-gerechtigkeit/aktueller-stand-der-landrueckerstattungen/

Die Umwelt im Departement Tolima zwischen Schutz und Rohstoffausbeutung

Mit einem historischen Urteil hat das Verwaltungsgericht des Tolima die definitive Beendigung von Bergbauaktivitäten in den Einzugsgebieten der Flüsse Combeima, Cocora und Coello angeordnet und die drei Flüsse als individuelle Entitäten und Rechtssubjekte anerkannt, mit Anspruch auf Schutz, Bewahrung und Renaturierung. Zudem empfahl das Gericht die Einrichtung eines Nationalparks oder Schutzgebiets um die drei Flüsse zu schützen.

(Von Stephan Suhner)

http://www.askonline.ch/themen/natuerliche-ressourcen-und-agrarfrage/umwelt-und-klimawandel/umweltschutz-tolima-fluesse-und-nebelwald/

I. Monatsbericht

Der mühsame Weg zu einer Reklassifizierung und Legalisierung des Kokablattes

Im internationalen Drogenkontrollregime sind nicht nur spezifische psychoaktive Substanzen einer strengen Kontrolle unterworfen, sondern auch ganze Pflanzen oder deren Bestandteile, aus denen Drogen gewonnen werden können, wie das Kokablatt und Schlafmohn. Das Kokablatt wurde einer regelrechten Schmierenkampagne unterworfen und pseudowissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt, um mit der Drogenkonvention von 1961 die strikte Kontrolle des Kokablattes durchsetzen zu können. Seither befindet sich das Kokablatt auf der Liste 1 der streng zu kontrollierenden Substanzen. Das Drogenkontrollregime versucht bis heute, die traditionelle Verwendung von Koka, insbesondere in Peru und Bolivien, zu verbieten und zu eliminieren. Obwohl die damaligen Argumente über die Gefährlichkeit längst wissenschaftlich überholt sind, hält sich das Argument von Kokasucht und degenerierten Kokablattkonsumenten hartnäckig. Eine vertiefte wissenschaftliche Revision der Gefährlichkeit des Kokablattes und eine Reklassifizierung tun dringend Not.

(Von Stephan Suhner)

http://www.askonline.ch/publikationen/monatsberichte/legalisierung-kokablatt-und-cannabisueberpruefung

III.   Apropos

Polizeikodex unter der Lupe

Am 1. Januar 2017 trat der neue Polizeikodex (Código Nacional de Policía y Convivencia, CNPC) Kolumbiens in Kraft. Die NGO FIP (Fundación Ideas para la Paz) hat die Auswirkungen des neuen Polizeikodex 2017 und 2018 untersucht und macht basierend auf der Untersuchung Empfehlungen für Verbesserungen.

Eigentlich wäre der Geist des Kodex präventiver Natur. Trotzdem wurden in den ersten anderthalb Jahren über 2 Millionen Zwangsmassnahmen (medidas correctivas) angeordnet, davon 40 Prozent Bussen. Nur gerade bei 17 Prozent aller Verstösse wurden pädagogische Massnahmen angeordnet. Drei Verstösse sind alleine für 45 Prozent aller Zwangsmassnahmen verantwortlich: öffentlicher Konsum von Alkohol oder psychoaktiven Substanzen, das Tragen von Stichwaffen sowie Schlägereien und Provokationen.

Die Anwendung des Polizeikodex ist nicht in ganz Kolumbien gleich, die Verantwortung dafür tragen die Gemeinden (resp. die Bürgermeisterämter). Die Probleme sind lokal unterschiedlich und die Polizei verfügt über einen grossen Ermessensspielraum. Dadurch ist die Anwendung des Polizeikodex entsprechend anfällig für Missbrauch. Daten, die eine vertiefte Untersuchung von Beschwerden und Anzeigen gegen die Polizei und andere Behörden erlauben würden, werden jedoch nicht erhoben. Dadurch kann auch nicht untersucht werden, ob der Polizeikodex die Qualität der Polizeiarbeit in Kolumbien verbessert oder nicht.

http://www.ideaspaz.org/publications/posts/1730

Angriff auf das gesellschaftliche Fundament

Der Menschenrechtsbericht der NGO Cinep erstellt ein Panorama der Menschenrechtsverletzungen 2018 in Kolumbien. Er zeigt auf, wie stark die ständigen Menschenrechtsverletzungen insbesondere an den lokalen Gemeinschaften das gesellschaftliche Fundament in den betroffenen Regionen beschädigen. Der Bericht basiert auf der Untersuchung von 1418 Fällen von Menschenrechtsverletzungen mit insgesamt 2252 Opfern. Gut die Hälfte der Opfer (1151) haben Todesdrohungen erhalten, 648 Menschen wurden 2018 getötet, ermordet oder aussergerichtlich hingerichtet. Zudem wurden über 300 Zivilpersonen bei Angriffen verletzt und mindestens 66 Menschen gefoltert. Die Untersuchung ist unvollständig, da sie auf Zeugen- und Opferberichten sowie Medienartikeln beruht. Sie erlaubt jedoch einen erschreckenden Einblick in die weit verbreitete Gewalt. Drohungen wie Morde haben dabei seit 2016 kontinuierlich zugenommen.

Ein Grossteil der politischen Gewalt in Kolumbien richtet sich gegen soziale Basisbewegungen. Oft finden die Drohungen und Angriffe im ländlichen Raum statt und richten sich meist gegen Angehörige der kommunalen Aktionskomitees (junta de acción comunal), resp. die Führungsgremien indigener und afrokolumbianischer Gemeinschaften. Gemeinsam ist diesen der Einsatz für die Rechte ihrer Gemeinschaft, insbesondere was den Landbesitz und die territoriale Kontrolle anbelangt. Die Täterschaft wird dabei von den Behörden und den Medien meist verschleiert. Oft werden diese einfach als „unbekannt“ oder „bewaffnete Männer“ registriert, obwohl die regionalen Gewaltstrukturen gut bekannt sind und meistens von illegalen bewaffneten Organisationen ausgehen. Diese Verschleierung ist eine Hauptursache für die hohe Straflosigkeit bei diesen Verbrechen. Behörden und Medien fördern mit ihrem Verhalten die Straflosigkeit aktiv.

https://www.cinep.org.co/publicaciones/wp-content/uploads/woocommerce_uploads/2019/05/2019509_Informe_ViolenciaCamuflada_2019_DDHH_Completo.pdf

Kinder und Jugendliche im bewaffneten Konflikt

Der Monitoringbericht 2018 der NGO Coalico (Coalición contra la vinculación de niños, niñas y jóvenes al conflicto armado en Colombia) zeigt, wie mehr als ein Jahr nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der Regierung Kolumbiens und den FARC weiterhin viele Kinder und Jugendliche vom bewaffneten Konflikt in Kolumbien betroffen sind.

Zwischen Januar und Dezember 2018 registrierte das Monitoring 331 Ereignisse des bewaffneten Konflikts (die meisten davon bewaffnete Auseinandersetzungen). Davon zogen 213 Ereignisse, also ca. 65 Prozent, Kinder oder Jugendliche in Mitleidenschaft. Am stärksten betroffen waren 2018 die Departemente Norte de Santander, Chocó, Antioquia, Nariño und Valle del Cauca. Fünfzig der Fälle betreffen Zwangsrekrutierungen von Kinder und Jugendlichen, was gegenüber 2017 eine besorgniserregende Verdoppelung bedeutet. Gemäss Berichten verteilt insbesondere das ELN in mittlerweile acht Bundesstaaten Venezuelas Propagandamaterial in den Schulen und schafft damit die Basis für Neurekrutierungen. Gemäss dem UNHCR wurden 2018 in Kolumbien über 30’000 Zwangsvertriebene registriert, darunter viele Kinder und ihre Familien.

Verantwortlich für die Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Rahmen des bewaffneten Konflikts sind neben den verschiedenen Guerillas und paramilitärischen Gruppierungen in 12,6 Prozent aller Fälle auch die öffentlichen Sicherheitskräfte (Armee, Polizei und Marine).

http://coalico.org/wp-content/uploads/2019/05/Bolet%C3%ADn-No.-_ONCA-20-1.pdf

Jesús Santrich, Kongressabgeordneter der FARC

Am 29. Mai 2019 bestätigte der Oberste Gerichtshof Kolumbiens die zuvor von der Sonderjustiz für den Frieden (JEP) angeordnete Freilassung und Nichtauslieferung des ehemaligen FARC-Kommandanten Seuxis Paucias Hernández Solarte alias Jesús Santrich. Auf Grund des Gerichtsurteils wurde er nach über 13 Monaten Untersuchungshaft entlassen. Der Staatsrat (Consejo de Estado) bestätigte in der Folge sein Amt als Kongressabgeordneter. Da er an der Amtseinsetzung vom 20 Juni 2018 auf Grund höherer Gewalt nicht teilnehmen konnte, wurde er nachträglich in seinem Amt vereidigt.

In ersten Interviews nach der Freilassung wies Jesús Santrich die Anschuldigungen der Obersten Staatsanwaltschaft sowie der US-amerikanischen Antidrogenbehörde DEA von sich. Er habe nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens mit keinen Drogen gehandelt, es handle sich bei den Anschuldigungen um eine politisch motivierte Verschwörung gegen das Friedensabkommen. Mehrere Senatoren bezichtigen den ehemaligen Obersten Staatsanwalt Nestor Humberto Martínez der politisch motivierten Verfolgung von Jesús Santrich. Offen bleibt, wieviel Handlungsautonomie die US-amerikanische DEA in Kolumbien geniesst und auf welchen rechtlichen Grundlagen die kolumbianische Staatsanwaltschaft sowie die Regierung die DEA gewähren lässt.

http://www.resumenlatinoamericano.org/2019/05/28/colombia-dejan-en-firme-investidura-de-santrich-como-congresista/

https://www.elespectador.com/colombia2020/justicia/jep/entrevistaestoy-listo-para-posesionarme-en-el-congreso-jesus-santrich-articulo-863603

https://www.razonpublica.com/index.php/conflicto-drogas-y-paz-temas-30/12031-santrich-equivocaciones-contradicciones-e-inseguridad-juridica.html

https://www.contagioradio.com/denuncian-dea-violo-soberania-santrich/

Keine Mehrheit für Präsident Duque

Am 29. Mai 2019 lehnte das Verfassungsgericht die Einwände von Präsident Duque gegen das Rahmengesetz der Sonderjustiz für den Frieden (JEP) ab und forderte den Präsidenten auf, das Gesetz unverzüglich zu ratifizieren. Zusammen mit der Freilassung von Jesús Santrich stürzte dieser Entscheid die Regierung von Präsident Duque in eine mittlere Krise.

Duque berief daraufhin ein Treffen mit den Regierungsparteien ein, um über einen „nationalen Pakt“ zu sprechen. Der Anführer der Regierungspartei Centro Democrático, Expräsident Álvaro Uribe, sprach von einer institutionellen Krise und der Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung, um die Verfassung und damit das Friedensabkommen mit den FARC abzuändern. Ein durchsichtiges Manöver: wem die Verfassung und ihr Rechtsstaat nicht passen, versucht die Verfassung in seinem Sinne zu korrigieren. Die Regierung von Präsident Duque musste diese Pläne wohl inzwischen auf Eis legen, da sie im Kongress nicht über die notwendige Unterstützung verfügt. Und am 6. Juni 2019 unterzeichnete Präsident Duque endlich das Rahmengesetz der JEP, die damit über alle notwendigen gesetzlichen Grundlagen für ihre Arbeit verfügt.

http://www.institutodeestrategia.com/articulo/americas/justicia-asesta-dura-derrota-duque-intento-modificar-pacto-paz-colombia/20190530130405024414.html

https://razonpublica.com/index.php/conflicto-drogas-y-paz-temas-30/12014-el-acuerdo-nacional-para-que.html

https://razonpublica.com/index.php/politica-y-gobierno-temas-27/12011-es-conveniente-convocar-una-constituyente.html

https://www.razonpublica.com/index.php/conflicto-drogas-y-paz-temas-30/12028-podra-el-uribismo-matar-el-acuerdo-de-paz.html

https://www.nodal.am/2019/06/colombia-ivan-duque-firma-la-ley-estatutaria-de-la-jurisdiccion-especial-para-paz/

Generalstaatsanwalt hinterlässt Scherbenhaufen

Nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs (Corte Suprema) und der damit verbundenen Freilassung von Jesús Santrich traten der Generalstaatsanwalt, Nestor Humberto Martínez, sowie seine Stellvertreterin zurück. In der offiziellen Rücktrittserklärung begründete Martínez den Schritt mit unüberbrückbaren Differenzen zu Justiz, insbesondere zur Sonderjustiz für den Frieden (JEP).

Bei der Generalstaatsanwaltschaft hinterlässt Martínez nach knapp dreijähriger Amtszeit einen Scherbenhaufen. Wie kein Generalstaatsanwalt zuvor hat Martínez das Amt für politische Zwecke benutzt. Als Gegner des Friedensabkommens von 2016 nutzte Martínez die grosszügigen Befugnisse der Generalstaatsanwaltschaft um die Umsetzung des Friedensabkommens zu behindern. Insbesondere die Sonderjustiz für den Frieden (JEP) war Martínez ein Dorn im Auge, beschneidet sie doch die Kompetenzen der regulären Staatsanwaltschaft und Justiz.

Verschiedene Enthüllungen machen jedoch deutlich, dass die offizielle Begründung für den Rücktritt von Martínez vorgeschoben sein könnte. Seit längerem besteht der Verdacht, dass Martínez aktiv in den Korruptionsskandal rund um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht verwickelt ist. Nur auf grossen politischen Druck hin trat Martínez die Untersuchung im Fall Odebrecht an einen Sonderermittler, Leonardo Espinoza, ab. Espinoza stellte Unregelmässigkeiten in den Untersuchungen zu Odebrecht fest und äusserte den Verdacht, Martínez habe die Untersuchungen absichtlich in die Irre geführt. Er forderte die Strafkammer des Repräsentantenhauses auf, Martínez zu untersuchen. Die Untersuchungseinheit der Generalstaatsanwaltschaft, CTI, durchsuchte daraufhin das Büro Espinozas und konfiszierte das Untersuchungsmaterial rechtswidrig ohne Erstellung eines detaillierten Protokolls.

Nur wenige Tage nach dem Rücktritt von Martínez wurde zudem bekannt, dass dieser ein weitverzweigtes Spitzel- und Überwachungsnetzwerk betrieb. Dabei wurden nicht nur JournalistInnen und PolitikerInnen, sondern auch RichterInnen des Obersten Gerichtshofs und des Verfassungsgerichts ohne Rechtsgrundlage überwacht. Richter beider Gerichtshöfe haben erst vor wenigen Wochen den Verdacht geäussert, abgehört zu werden. Martínez äusserte damals die Vermutung, dass kriminelle Banden die Richter abhören könnten. Sein Untergebener, Staatsanwalt Jaime Camacho, sagte jedoch später, es habe keine Überwachung gegeben. Ebendieser Camacho soll nun gemäss Whistleblowern von Martínez selbst mit den Überwachungen beauftragt worden sein. Auch der seit dem Rücktritt von Martínez amtierende Generalstaatsanwalt, Fabio Espitia, soll Teil des Überwachungsnetzes sein. Espitia hat Camacho als amtierenden Stellvertreter ernannt. Der Fisch stinkt also weiterhin vom Kopf her.

http://www.lanuevaprensa.com.co/component/k2/oficinas-del-fiscal-ad-hoc-fueron-desocupadas-en-allanamiento-del-que-no-quedaron-actas-de-entrega-de-documentos-y-computadores

https://www.razonpublica.com/index.php/politica-y-gobierno-temas-27/12030-que-le-dejo-nestor-humberto-martinez-a-la-fiscalia-general-de-la-nacion.html

http://www.lanuevaprensa.com.co/component/k2/agentes-del-cti-aseguran-que-martinez-neira-monto-en-la-fiscalia-un-aparato-de-chuzadas-a-periodistas-magistrados-y-politicos-que-se-extendio-a-miami

Erneute Niederlage der Regierung Duque

Ein Expertenpanel erklärt den Kandidaten der Regierung Duque für den kolumbianischen Sitz in der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (Comisión Interamericana de Derechos Humanos, CIDH) für ungeeignet. Everth Bustamante García, ehemaliger Senator des Centro Democrático, hat gemäss dem Panel der American University weder die notwendigen Fachkenntnisse, noch die Erfahrung für das Amt. Zudem erfülle er weitere Kriterien wie Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht. Auch der Kandidat der Regierung Guatemalas, Edgar Stuardo Ralón Orellana, fiel beim Expertenpanel durch. Über die Berufung der neuen Mitglieder der CIDH entscheidet jedoch die nächste Delegiertenversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten (Organisación de Estados Americanos, OEA) die vom 26. bis am 28. Juni 2019 in Medellín tagt.

https://www.elespectador.com/noticias/el-mundo/uribista-everth-bustamante-fue-descartado-por-expertos-para-ser-comisionado-ante-la-cidh-articulo-865169

V.   Tipps und Hinweise

Neue Webseite der ask! in Arbeit

Nach acht Jahren treuen Diensten ist die Webseite der ask! – Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. Um die Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit unseres Informationsangebots zu gewährleisten, erstellt die ask! aktuell eine neue Webseite. Wir hoffen die neue Webseite spätestens bis Ende 2019 voll funktionsfähig in Betrieb zu nehmen. Wir halten dabei die Kosten so tief wie möglich, aber eine gute Webseite kostet auch etwas. Wir freuen uns entsprechend um ihre Unterstützung mit einer grosszügigen Spende!

https://donorbox.org/menschenrechtsverletzungen-und-umweltschaden-der-kohlemine-el-cerrejon-vortragsreihe

Multimediale Ausstellung: Memorias de Tierra

Das Schicksal der Gemeinde El Hatillo in Kolumbien, die dem Bergbau zum Opfer fällt

Mit Julia Schmidt, Comundo Fachperson und Stephan Suhner, ask! – Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien

Donnerstag, 5. September 2019 um 19:00 Uhr im RomeroHaus, Luzern

Montag, 9. September 2019 um 19:00 Uhr im Polit-Forum Käfigturm, Bern

Die kleine Gemeinde El Hatillo in Nordkolumbien wird verschwinden – geopfert dem Abbau der Bodenschätze durch internationale Konzerne. Die Bewohnerinnen und Bewohner werden umgesiedelt. Welche sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Folgen hat der exzessive Kohleabbau in der Region Cesar für diese kleinbäuerlich geprägte Bevölkerung? Diesen Fragen geht das Multimediaprojekt „Memorias de Tierra – das Schicksal von El Hatillo“ nach, das die Journalistin ung Comundo-Fachperson Julia Schmidt vorstellt. Stephan Suhner der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien, die El Hatillo seit über zehn Jahren begleitet erklärt die rechtliche Situation von El Hatillo und welche Auswirkungen die Konzernverantwortungsinitiative hätte.

Mit Virtual-Reality-Brillen können die BesucherInnen sich selbständig im Dorf bewegen und den Alltag der Bevölkerung von El Hatillo und die Auswirkungen der Umweltzerstörung selber erleben. Die Ausstellung soll auch die Erinnerung an El Hatillo am Leben erhalten. Ein Fotobuch bietet weitere visuelle Zeugnisse und Informationen zur untergehenden Gemeinde.

Weitere Informationen und Veranstaltungsflyer: http://www.askonline.ch/veranstaltungen/

V.  Lesenswerte Artikel

 

–       Zunahme der Armut in Kolumbien im 2018: https://www.razonpublica.com/index.php/econom-y-sociedad-temas-29/11992-alerta-por-el-aumento-de-la-pobreza.html

–       Illegale Kampagnenfinanzierung als Form der Korruption: https://razonpublica.com/index.php/internacional-temas-32/12007-la-financiacion-irregular-de-las-campanas-otra-forma-de-corrupcion.html

–       Können die Kongresssitze für die Opfer des bewaffneten Konflikts noch gerettet werden? https://www.semana.com/nacion/articulo/se-salvan-las-curules-de-las-victimas/619275

–       Tourismus, der neue Goldrausch Kolumbiens: https://www.razonpublica.com/index.php/econom-y-sociedad-temas-29/12039-el-turismo-la-nueva-bonanza-para-los-colombianos.html

–       Hafenprojekt von Tribugá: ist eine nachhaltige Entwicklung möglich? https://www.razonpublica.com/index.php/econom-y-sociedad-temas-29/12044-tribuga-es-posible-el-desarrollo-sostenible.html

–       Land grabbing und Viehwirtschaft zerstören den kolumbianischen Amazonas: https://www.razonpublica.com/index.php/econom-y-sociedad-temas-29/12044-tribuga-es-posible-el-desarrollo-sostenible.html

Redaktion: Fabian Dreher

Unterstützen Sie die Arbeit der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien mit einer Spende auf das Konto 60-186321-2, IBAN CH33 0900 0000 6018 6321 2 oder werden Sie Mitglied der ask!. Die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien ist als gemeinnützig anerkannt und die Spenden sind steuerlich absetzbar.