Paramilitärs erlangen Freiheit zurück

29.08.2014 | von Regula Fahrländer Für insgesamt 161 ehemalige Paramilitärs der AUC, darunter 15 oberste Kommandanten, sind die acht Jahre Haftstrafe unter dem Demobilisierungsgesetz 975, dem „Ley de Justicia y Paz“, vorbei. Sie können deshalb ihre Freilassung beantragen. Was bedeutet dies für ihre ehemaligen Opfer, die kolumbianische Gesellschaft, den laufenden Friedensprozess und sie selber? Das […]

29.08.2014 | von Regula Fahrländer

Für insgesamt 161 ehemalige Paramilitärs der AUC, darunter 15 oberste Kommandanten, sind die acht Jahre Haftstrafe unter dem Demobilisierungsgesetz 975, dem „Ley de Justicia y Paz“, vorbei. Sie können deshalb ihre Freilassung beantragen. Was bedeutet dies für ihre ehemaligen Opfer, die kolumbianische Gesellschaft, den laufenden Friedensprozess und sie selber?

Das Demobilisierungsgesetz 975 von 2005 sieht vor, dass Paramilitärs „im Austausch gegen die Wahrheit“ eine Alternativstrafe von maximal acht Jahren Gefängnis erhalten. 3‘831 Personen haben damals von diesem Gesetz Gebrauch gemacht. Seit Ende Juli dürfen 1‘147 von ihnen die Freiheit beantragen und werden höchstwahrscheinlich bald auf freiem Fuss sein. Zwar wurden einige der obersten Paramilitär-Chefs wie Mancuso, Macaco, Jorge 40, don Berna, Hernán Giraldo und HH an die USA ausgeliefert, wo sie für Drogendelikte Haftstrafen von 20 – 30 Jahren absitzen. Es befinden sich aber auch 46 ehemalige Kommandanten und andere Ranghohe unter den voraussichtlich Entlassenen, wie etwa El Alemán der über Jahre die Region Urabá terrorisierte. Diese 46 alleine sind verantwortlich für mehr als 30‘000 Opfer von Massakern, Tötungsdelikten, Zwangs-verschwinden, Zwangsvertreibungen sexualisierter Gewalt, Rekrutierung von Minderjährigen, und diversen weiteren Verbrechen[1].

Bis Mitte August wurden 43 Freilassungen beantragt, die Staatsanwaltschaft prüft jeden Fall einzeln und hat bisher fünf Gesuche gutgeheissen[2]. Um die Freiheit zu erlangen, müssen die Betroffenen acht Jahre abgesessen, während der Haft gute Führung gezeigt, ihren Besitz abgegeben und die ganze Wahrheit gesagt haben. Auch dürfen sie weder rückfällig geworden sein, noch weitere Rechtsprozesse gegen sie laufen haben. Während den ersten vier Jahren, handelt es sich um eine Entlassung auf Bewährung. Werden die Auflagen nicht eingehalten, können die Betroffenen ihre Vorteile verlieren. Das Demobilisierungsgesetz sieht vor, dass die rechtliche Konsequenz für Vergehen gegen die Bedingungen im Verlust der Begünstigungen liegt. Wer die Bedingungen also missachtet, verliert seine Vorteile und muss aufgrund des ordentlichen Strafgesetzes abgeurteilt werden, was Gefängnisstrafen von 40 bis 50 Jahren bedeuten kann.

Eine Gefahr für Opfer und Täter
Die Organisation MAPP-OEA (), welche den Demobilisierungsprozess seit Jahren begleitet, hat fünf Landesteile mit erhöhtem Risiko identifiziert: Córdoba – Bajo Cauca, Medellín, Urabá, Magdalena Medio und Cesar. Mit erhöhtem Risiko ist gemeint, dass mit der Rückkehr der ehemaligen Bandenchefs wieder kaum verheilte Wunden aufgerissen werden könnten.. Diese Landesregionen waren einst besonders vom Paramilitarismus betroffen. Und genau dort werden nun einige der Opfer plötzlich ihren TäterInnen auf der Strasse begegnen. Nebst persönlichen Begegnungen geht es auch um bedeutende Interessenskonflikte. Die Opfer setzten sich dort heute für die Rückerstattung von gewaltsam entrissenem Land und anderen Entschädigungen ein. Zudem sind in vielen dieser Regionen, alle reich an natürlichen Ressourcen und teilweise an Coca, nach wie vor paramilitärische Strukturen vorhanden.

Auch die freigelassenen Ex-Paramilitärs müssen um ihre Sicherheit fürchten. All jene, mit denen sie einst in Komplizenschaft Verbrechen begangen haben, sind ihnen nun feindlich gestimmt. Korrupte Militärobersten, PolizistInnen, Geheimdienstangestellte, Drogenbosse, ehemalige MitstreiterInnen und unzählige weitere haben die Geständnisse der ehemals Inhaftierten mit viel Missgunst verfolgt[3]. Viele wurden durch die Konfessionen der Paramilitärs in Bedrängnis gebracht und haben nun rechtliche Prozesse laufen. Da sind Rachezüge durchaus wahrscheinlich. Welche Schutzmassnahmen der Staat für die Rückkehr der Freigelassenen in ihre Dörfer und Städte vorsieht, ist bis anhin unklar. Die Ermordung eines einstigen Inhaftierten würde aber zweifelsohne den Friedensdialog in Havanna beeinflussen, stellt sich doch dieselbe Frage nach Sicherheit für die allenfalls zukünftig demobilisierten GuerrillakämpferInnen.

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