25. August 2016 – Nach mehr als 50 Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen in Kolumbien haben die Regierung und die Guerilla-Gruppe FARC bekannt gegeben, dass sie sich auf einen abschließenden Friedensvertrag geeinigt haben. Amnesty International begrüßt dies als einen bedeutsamen und seit Langem herbei gesehnten Schritt, der Hoffnung bringt, dass in Kolumbien endlich Frieden herrscht.
In der kubanischen Hauptstadt Havanna verkündeten am 24. August 2016 sowohl die kolumbianische Regierung als auch die Guerilla-Gruppe „Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia“ (FARC), dass sie nach fast vier Jahren offizieller Gespräche alle noch ausstehenden größeren Streitpunkte beigelegt hätten. Der 297-Seiten umfassende Friedensvertrag behandelt Themen wie eine Landreform, politische Teilhabe, die Rechte der Konfliktopfer und die Bekämpfung des Drogenhandels.
„Heute wird in Kolumbien Geschichte geschrieben. Ob Frieden aber dauerhaft und tragfähig möglich wird, wird stark davon abhängen, ob es den Behörden gelingt, die Millionen Opfer von Verschwindenlassen, sexualisierter Gewalt, Vertreibung und Folter tatsächlich angemessen Gerechtigkeit erfahren zu lassen“, sagt dazu Erika Guevara Rosas, Amerikas-Direktorin bei Amnesty International.
Bereits Ende 2015 wurde ein Teilabkommen beschlossen, das festlegte, wie die Rechte der Opfer des Konflikts auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung gewährt werden können.
Jedoch bestehen starke Zweifel, ob es damit gelingen wird, diese Rechte auch tatsächlich wirksam und im Einklang mit völkerrechtlichen Normen und Standards umzusetzen.
Kolumbiens Konflikt ist von unzähligen Verbrechen gekennzeichnet, die auch nach internationalem Recht strafbar sind, darunter gesetzeswidrige Tötungen, Vertreibung, Verschwindenlassen, Geiselnahme, Folter und sexualisierte Gewalt. Begangen haben solche Straftaten alle Konfliktparteien: Guerilla-Gruppen, staatliche Sicherheitskräfte und Paramilitärs.
Ein Großteil dieser Menschenrechtsverletzungen wurde allerdings außerhalb direkter Kampfhandlungen verübt. Sie stehen vielmehr im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Interessen, wie der Ausbeutung von Land, das sich im Besitz indigener, afrokolumbianischer oder kleinbäuerlicher Gemeinden befindet. Deshalb besteht die Gefahr, dass solche Verbrechen auch dann noch weiter begangen werden, wenn das Friedensabkommen unterzeichnet worden ist.
„Die Bestimmungen des Friedensabkommens zur gerichtlichen Aufarbeitung der im bewaffneten Konflikt begangenen Straftaten müssen unbedingt so umgesetzt werden, dass sie nicht wieder zu neuer Straflosigkeit führen. In über neun von zehn Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Völkerrechtsverstöße kommen die Täterinnen und Täter in Kolumbien bisher straflos davon“, erklärte Matthias Schreiber, Kolumbien-Experte bei Amnesty International in Deutschland. „Diese Straflosigkeit gehörte bislang zu den größten Triebfedern in Kolumbiens Konflikten. Sie hat auch maßgeblich zu den zuletzt angewachsenen Angriffen gegen Vertreter der Zivilgesellschaft beigetragen.“
Erika Guevara Rosas fügte an: „Damit Frieden tatsächlich wirksam werden kann, müssen die Behörden dafür sorgen, dass alle, die im Verdacht stehen, für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich zu sein, auch in fairen Verfahren vor ordentlichen zivilen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden. Sie müssen ebenfalls umfassende Maßnahmen auf den Weg bringen, um Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien endlich eine Ende zu setzen. Diejenigen Gruppen und Gemeinden in der Bevölkerung, die einem besonders hohen Risiko ausgesetzt sind, Gewalt zu erfahren, müssen wirksam geschützt werden.“
Das Friedensabkommen muss noch formell in Kolumbien unterzeichnet werden. Dies wird voraussichtlich Mitte oder Ende September dieses Jahres geschehen. Es muss zudem in einer Volksabstimmung von der Bevölkerung angenommen werden, die im Moment für den 2. Oktober 2016 geplant ist.
Erst wenn der Friedensvertrag formell unterzeichnet worden ist, werden die Mitglieder der FARC beginnen, sich zu demobilisieren und ihre Waffen abzugeben. Die Entwaffnung und Auflösung der Guerilla-Gruppe soll in mehreren Schritten über einen Zeitraum von sechs Monaten erfolgen.
pdf zum download (Englisch): AI_PR End of negotiations on peace agreement